Sage vom „Wetteifern mit dem Klingelbeutel“

Die Pfarrkirche St. Michael in Großrinderfeld wurde in den Jahren 1770-1777 neu gebaut – weil die vorherige zu klein und auch baufällig wurde.

Zu dieser Zeit lebte hier der Freiherr Stephan von Zobel mit seiner Familie als Lehnsherr und Dorfadliger von Großrinderfeld. Er war unter anderem für die Sicherheit der Bewohner des Dorfes und die Verteidigung des Dorfes – das mit Mauern, Wällen, Gräben und Toren gesichert war – verantwortlich. Auch die pünktliche und vollständige Abgabe der Steuern (Zehnten) an die Obrigkeit waren von ihm zu gewährleisten.

Gleichzeitig war auch Georg Thoma, (geb. 1. Hornung 1722 / verst. 24. Dec. 1799) als der kurfürstlich mainzische Schultheiß hier im Amt um z.B. das Zusammenleben der Bürger zu regeln und für deren Wohl zu sorgen.

Beide Persönlichkeiten waren fast gleich alt, kamen gut mit Ihrer Aufgabenverteilung zurecht und waren sogar miteinander befreundet! Allerdings versuchte jeder von Ihnen in seinem Ansehen und wegen der Bedeutung seines „Postens“ bei den Bürgern besser dazustehen als der andere. Dies zeigte sich in vielen Lebensbereichen – so auch beim Kirchgang:

Sowohl Freiherr Stefan von Zobel wie auch der Schultheiß Georg Thoma gingen regelmäßig zum Gottesdienst, hatten ihren festen Stammplatz links bzw. rechts des Hauptganges an den Säulen unter der Empore, – und konnten sich dadurch aber auch gegenseitig beobachten.

Am Ostersonntag des Jahres 1782 – fünf Jahre nach der Einweihung der Kirche – war es wieder einmal soweit: Die „Kontrahenten“ wollten in der Öffentlichkeit beweisen welcher von ihnen der „Bessere“ ist.

Schon bevor bei der Opferung die „Klingelbeutel“ herumgereicht wurden legten sie das „Opfergeld“ griffbereit vor sich hin. Von Zobel -auf der linken Seite- legte einen Taler bereit. Dies sah der Schultheiß Thoma und holte ebenfalls einen Taler aus seinem Geldsack. Wieder griff von Zobel in seine Hosentasche und holte noch einen Taler. Schultheiß Thoma sah dies – und holte ebenfalls ein weiteres Geldstück.  Dieser Vorgang wiederholte sich noch acht mal – und so hatte jeder „Spender“ nun 10 goldene Taler vor sich hingelegt.

Der Ministrant auf der rechten Seite des Ganges war beim Weiterreichen des Klingelbeutels schneller vorangekommen als der auf der linken Seite. Deshalb war jetzt der Schultheiß an der Reihe seine milde Gabe zu opfern.  Schweren Herzens und mit einem tiefen Seufzer ließ er die 10 Taler in den Behälter fallen.

Erst danach war auch der Ministrant auf der linken Seite vom Hauptgang mit seinem Klingelbeutel beim Freiherrn von Zobel angekommen. Dieser hatte aber kurz vorher noch von seinen 10 bereit gelegten Talern, – nach kurzem Rundblick und mit leichtem Grinsen – 9 davon wieder in seine Jackentasche zurück gesteckt. – Er spendete also tatsächlich nur 1 Taler!

Als der Schultheiß, und natürlich auch viele andere Banknachbarn, dies alles mitbekamen, wurde er zuerst bleich, bekam dann einen roten Kopf und platzte fast vor Wut. Er fühlte sich „betrogen und böse hereingelegt“ Nach dem Hochamt stellte er den Freiherren Stephan von Zobel deshalb zur Rede und beschimpfte diesen als einen Schwindler und Geizkragen. Der sagte dem Wütenden aber nur: „Ich kann doch auch einmal in der Kirche nur nachzählen wie viele Taler ich eigentlich bei mir habe – oder?“

Der hinzugekommene Ortspfarrer (er hieß Josef Rau und war von 1780 bis 1824 Pfarrer von Großrinderfeld) versuchte die Streithähne zu versöhnen und meinte: „vertragt Euch doch wieder und kommt lieber mit mir mit zum gemeinsamen Frühschoppen“.  Dieser Vorschlag wurde aber – für diesen Tag – von den beiden abgelehnt.

Der Überlieferung nach soll es noch bis zum Pfingstfest gedauert haben bis sich die zwei „Kontrahenten“ endlich im damaligen alten Gasthaus zum „Goldenen Ochsen“ bei einigen Humpen Wein wieder versöhnt haben.

Stand: Mai 2009; Text: Rudolf Geiger

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